Berliner SV 92 – Tennis Borussia Berlin 3:5
Dienstag, 14.09.2010, 19:00 Uhr, Stadion Wilmersdorf Nebenplatz, Berlin-Pokal 2. Runde (Männer)
Es gibt Ecken von Berlin, von denen weiß kaum wer, dass es sie gibt. Eine solche Ecke ist Schmargendorf, ein kleiner, beschaulicher Stadtteil zwischen Wilmersdorf und Grunewald, einst Heimat von John Heartfield und Rainer Maria Rilke, heute eher bekannt für das Kraftwerk Wilmersdorf oder das schöne Stadion Wilmersdorf. Letzteres wäre der denkbar schönste Ort für die diesjährige Neuauflage des einstigen Derbyklassikers gewesen, der in den 1950ern regelmäßig mehr als zehntausend Menschen in die Stadien lockte. Doch leider führten widrige Umstände dazu, dass das Spiel auf irgendeinem Kunstrasenplatz in einem sehr engen Metallkäfig stattfinden musste. Dafür gab es immerhin einen Ausblick auf das wunderschöne Kraftwerk gratis dazu…
Das Spiel vor irgendwas zwischen hundert und zweihundert Zuschauer_innen begann pünktlich und auch gleich mit einem Knalleffekt, denn der Sekundenzeiger hatte noch keine ganze Runde zurückgelegt, da stand es schon 1:0. Allerdings nicht für TeBe, sondern für den BSV. Als dann nach vielleicht zehn Minuten auch noch das zu diesem Zeitpunkt durchaus gerechtfertigte 2:0 fiel, war der Schock perfekt und eine echte Pokalsensation lag in der Luft. Die Lila-Weißen schienen irgendwie nicht zurecht zu kommen mit dem quietschig-rutschigen Untergrund und auch nicht mit der aggressiven Spielweise der Störche. Als dann einer der ersten vernünftigen Angriffe der Borussia regelwidrig innerhalb des Strafraums gestoppt wurde, übernahm Kalkan Verantwortung und verwandelte den fälligen Elfmeter. Nach der gängigen Fußballlogik hätte jetzt der drei Klassen höher spielende Favorit das Heft in die Hand und das Spiel drehen müssen, doch einige Minuten später war es wiederum ein Spieler des souveränen Tabellenführers der Bezirksliga Staffel 3, der nach schöner Körpertäuschung von der Strafraumgrenze abzog und an dem in dieser Szene alles andere als gut aussehenden Filatow vorbei ins lange Eck zum 3:1 einnetzte. Wenn dann kurz vor dem Halbzeitpfiff nicht doch noch Tokgöz nach einem herrlichen Solo über den ganzen Platz wenigstens den Anschlusstreffer erzielte hätte, ich weiß nicht, ob TeBe sich dann noch einmal hätte aufraffen können…
So aber kam das Team völlig verändert aus der Kabine. Trainer Yildiz muss in der Kabine genau die richtigen Worte gefunden haben, denn als der mit deutlicher Verspätung wieder auf dem Platz erschienene Schiedsrichter das Spiel wieder anpfiff, war von der Unsicherheit der ersten Hälfte nichts mehr zu sehen. TeBe spielte aggressiv und weitgehend kombinationssicher. Selbst der bei dem Dauerregen des Tages extrem schlecht zu spielende Bodenbelag schien sie nicht mehr sonderlich aus der Fassung zu bringen. Zwar kamen noch immer viele Pässe nicht an und rutschten nahezu alle Beteiligten fröhlich an einander vorbei, aber es gab jetzt so etwas wie Struktur und Spielaufbau bei der Borussia. Auch wenn der BSV zwischenzeitlich noch einmal vor allem durch Standards von der linken Seite aus gefährlich werden konnte, die Tore für TeBe in der zweiten Hälfte gingen allesamt klar und vor allem der Schlusspunkt von abermals Tokgöz war einfach toller Fußball. Der Rest war Jubel im Regen…
Nicht so schön war die doch arg hohe Zahl von Fouls und Unsportlichkeiten auf beiden Seiten, die den Schiedsrichter zeitweise ebenso zu überfordern schienen, wie das Gesinge und Gepöbel seitens des Anhangs von Tennis Borussia. Einige bange Minuten, in denen es plötzlich ganz still wurde auf und um den Sportplatz, gab es Mitte des zweiten Hälfte, als nach einem Zweikampf Jerome Bah, der in der ersten Hälfte für den verletzten Magri gekommen war, regungslos nahe des eigenen Sechzehners liegenblieb und irgendjemand sogar nach einem Krankenwagen rief. Auswechselspieler beider Teams zogen ihre Jacken und Pullis aus, um den am Boden liegenden zu wärmen und manch eine_r fürchtete wohl schon das Schlimmste. Als Bah dann von anderen Spielern gestützt doch wieder aufstehen konnte, war der Stein, der allen Anwesenden vom Herzen fiel deutlich zu hören. Die Gesundheit eines Spielers ist dann halt doch wichtiger als Tore oder Punkte…
Was bleibt ist die Erinnerung an ein packendes und sehenswertes Pokalspiel bei Gastgebern, die in dieser Form den Aufstieg schon jetzt sicher in der Tasche haben sollten, und die Freude über den ersten lila-weißen Pflichtspielsieg der Saison.
PS: Das Konzert von Liturgy im West Germany hinterher war der Hammer!